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Verein zur Förderung des
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Arbeitsgruppe Spruchbalken im Wendland

Online: Hausinschriften im Wendland

 

Juli 2018


Mitglieder des Rundlingvereins e.V. haben in den Jahren 2013-2015 alle 324 Ortschaften im Landkreis Lüchow-Dannenberg besucht, um die von der Straße aus sichtbaren Hausinschriften abzuschreiben, zusammen mit den Namen der Erbauer, dem Erbauungsjahr und den Ornamenten, wenn diese vorhanden waren. In 251 Orten gab es Häuser mit Inschriften.
 

Erläuterungen zur Benutzung der Datenbank

Insgesamt wurde eine Datenbank von 1454 Fachwerkhäuser angelegt, für die 1090 lesbare Hauptbalken, 589 lesbare Kehlbalken und 132 Stalltürbalken abgeschrieben wurden. Dieses Ergebnis spiegelt 98% der Vordergiebel im Landkreis wieder, allerdings nur schätzungsweise 50% der rückseitigen Giebel, Seitenteile und Scheunen, weil sie nicht öffentlich sichtbar sind.

Vorkommen
Es ist anzunehmen, dass kaum eine andere Region Deutschlands noch so viele Hausinschriften besitzt. Es gab allerdings 1969 in Lippe eine Bestandsanalyse. wo eine ähnliche Anzahl von Inschriften gezählt wurde. Im Wendland kommen mehrere Hundert Inschriften dazu, die kaum lesbar oder gänzlich verschwunden sind. Lüchow-Dannenberg hat über 2000 Gebäude unter Denkmalschutz, fast alle in Fachwerk und im ländlichem Bereich.
 

Authentizität
Inschriften können eingeritzt, auf Kartuschen erhaben geschnitzt oder nur aufgemalt sein. Insbesondere bei letzterem Verfahren muss man bezüglich Authentizität sehr vorsichtig sein. Wenn ein Haus schon 150 Jahre alt ist, hat es sicherlich vier oder fünf Anstriche erhalten. Hier ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die originalen Ornamente aus Unkenntnis oder wegen neuer Mode anders übermalt wurden. Dies trifft weniger, aber doch auch auf Namen und Schriftzüge zu. Je glaubhafter die Änderung, umso irreführender das Ergebnis.
Eingeritzte Antiqua-Schriften und die späteren erhabenen Frakturschriften sind in der Regel echt und werden hier als echt angenommen, auch wenn sie manchmal zu „modern“ wirken.

 

Sprache
Fast alle Inschriften sind in hochdeutsch verfasst, obwohl die damalige Bevölkerung erst wendisch danach plattdeutsch gesprochen hat. Nur zwei von 1800 Inschriften, beide sehr alte, sind plattdeutsch verfasst, obwohl es in den 50er und 60er Jahren in Norddeutschland eine Modewelle gegeben hat, plattdeutsche Sprüche zu schreiben, wie z. B. in Hitzacker. Sie werden hier nicht berücksichtig. Nur wenige Sprüche sind auf Latein zu finden: „Ora et Labore“, „Omnia in manibus dey“ (beide mit deutscher Übersetzung) und „Deus majo und Gloria in Excelsis Deo“. Eine neue Inschrift ist sogar auf Englisch verfasst.

 

Quellen
75% aller Sprüche können im Lüneburgischem Gesang- und Gebetbuch von 1846 und in früheren Ausgaben gefunden werden. Einige stammen aus anderen ähnlichen, manchmal unbekannten Gesangbüchern. Die restlichen sind zu 17% sogenannte „Haussprüche“, nur 6% sind aus der Bibel und 1% aus der Literatur (Goethe, Schiller, Terenz).
Zwecks Vergleich wurden die Originale ebenfalls in die Datenbank aufgenommen. Damit können Hausbesitzer, die ihre Inschriften nur noch teilweise erkennen können, die fehlenden Teile ersetzen.

 

Orthografie
Manche Leute finden daß die Orthografie des Spruches willkürlich scheint. Dies ist nur bedingt wahr und muss differenziert betrachtet werden.

a) Die ältesten Inschriften von 1550 bis 1780 sind in der Regel in Blockschrift -“Antiqua“- geschrieben. In der Zeit gab es in Deutschland keine allgemein anerkannte Rechtsschreibung, so dass „OHNE MÜH“ zum Beispiel ruhig als „OHNNE MUE“ geschrieben wurde. Die jüngste Antiqua-Schrift im Wendland ist auf 1801 datiert.

b) Während einer kurzen Übergangsperiode, von etwa 1780 bis 1800, wurden neue Schrifttypen ausprobiert. In Dörfern wie Prießeck und Tolstefanz gibt es abenteuerliche Schriftweisen, die manchmal kaum zu entziffern sind, z.B. oft Wörter mit zwei Silben, die als zwei Wörter geschrieben wurden: „Wie Der“ statt „wieder“ oder „Nim Mer“ statt „nimmer“!
Um 1800 hat sich klar die neue geschnörkelte Frakturschrift durchgesetzt, die durchgängig im 19. Jahrhundert benutzt wird, mit kleinen Variationen, weil es eigentlich mehrere Frakturschriften gegeben hat.

c) Ab 1800 gibt es auch geregelte Rechtschreibung. Die scheinbare Inkonsequenz lässt sich auflösen. Im Gegensatz zu früher hat man schriftliche Vorlagen, die jede Familie besitzt: das Gesang und Gebetbuch, das häufig neu aufgelegt wurde. Dabei änderte sich manche Schreibweise. Das kann man am deutlichsten sehen bei den Wörtern „bei, sei und beisammen“, die erst ab der 14. Auflage 1846 so zu finden sind. In allen früheren Auflagen war die Rechtschreibung: „bey, sey und beysammen“. Noch eine Änderung im Gesangbuch, die sich auch in der Frakturschrift wiederfindet, war die Bezeichnung für „Gott, Herr, Jesus und Christus“ (so 1846). Vorher wurden zwei große Anfangsbuchstaben geschrieben: „GOtt, HErr, JEsus und Christus“. Alle übrigen Substantive wurden nicht großgeschrieben. Dagegen benutzte man Großbuchstaben für den Anfang jeder Verszeile, so dass der gedruckte Choral im Gesangbuch zum Beispiel so aussieht:
Man höret auf den gassen
Von denen, die verlassen,
Ein klägliches angstgeschrei.
Ach weh! wer will der armen
Sich fernerhin erbarmen,
Wer steht uns in der jammer bei?
Auf dem langen Schriftbalken steht jedoch alles in einer Zeile und erzeugt Verwirrung bezüglich der Groß- und Kleinschreibung:
Man höret auf den gassen Von denen, die verlassen, Ein klägliches angstgeschrei. Ach weh! wer will der armen Sich fernerhin erbarmen, Wer steht uns in der jammer bei?
Allerdings haben viele Zimmerer die Substantive doch großgeschrieben. Das wurde in der 2. Hälfte des Jahrhunderts üblich, aber noch nicht im Gesangbuch.
Eine strikte verbindliche Schreibordnung gab es gesetzlich geregelt erst am Ende des Jahrhunderts. Aber die Orthografie an den Spruchbalken ist durchaus nicht willkürlich oder gar schreibunkundig, sondern richtet sich nach den jeweils anerkannten Regeln.

Schreibweise in der Datenbank
Wir haben den Originaltext durchgängig auf der Basis der 14. Auflage, Lüneburg 1846, genau abgeschrieben (mit Komma, Semicolon, ss, ß u.s.w.). Wenn der Restaurator einen älteren Spruchbalken erneuern und Lücken ergänzen will, dann muss er „bey, sey, GOtt, HErr, u.s.w.“ entsprechend umdenken. „Rath und That“ werden durchgängig so geschrieben, auch alle ähnlichen Wörter. Für die ältere ANTIQUA Schriften haben wir aber in der Regel die Schreibweise auf dem Balken übernommen.

 

Popularität
Bei den insgesamt ca. 2000 Sprüchen gibt es 618 verschiedene.

Ein Spruch kommt aber 107 mal vor

(Lüneburgisches Gesang und Gebetbuch Nr 35 vers 1):

  Bis hieher hat mich Gott gebracht

Durch seine grosse güte

Bis hieher hat er tag und nacht

Bewahrt herz und gemüthe.

Bis hieher hat er mich geleit't

Bis hieher hat er mich erfreut

Bis hieher mir geholfen.

 

Der nächst häufigste ist mit 70 Vorkommnissen die „Fürbitte eines Ackermanns“ (Nr 1015 vers 4):   Ach! Segne mich mein Gott

und alles was ich habe

Denn alles dieses ist

Ja deine gute gabe.

Gesegnet sei die frucht

Gesegnet sein mein vieh

Gesegnet haus und hof

Von dir so spät als früh.

 

Es folgt 68 mal der Hausspruch über den Stalltüren:

 

  An Gottes segen     -     Ist alles gelegen
An der vierten Stelle steht mit 59 Vorkommnissen Nr 280 vers 1:   In Gottes Namen fang ich an

Was mir zu thun gebühret.

Mit Gott wird alles wohl gethan

Und glücklich ausgeführet.

Was man in Gottes namen thut

Mit glaubensvollem sinn und muth

Das muß uns wohl gedeihen.

 

Danach kommen verschiedene Brandsprüche. Hier war die Auswahl auf Nr 780 „In Feuersgefahr“, 781 „Nach einer Feuersbrunst“ und 782 „ Für Abgebrannte“ beschränkt.

 

Der häufigste Brandspruch ist Nr 782 vers 13 (63 mal):   Erbaue was zerstöhret

Und was die gluth verheeret

ersetze diesen brand.

So wollen wir vom neuen

Uns deiner güte freuen

Und ehren dankbar deine hand.

 

 Ähnlich oft kommt aus demselben Gesang  vers 3 (57 mal):   Wo sind (oder „wo blieben“) doch unsre häuser ?

Sie wurden als die reiser

Verzehret durch die gluth.

Wir suchen allerwegen,

Wo wir doch bleiben mögen

Gleich wie ein armer fremdling thut.“

 

Aus 780b vers 8 kommt 42 mal vor:   Hilf gnädig und ersetze auch

Durch deinen reichen segen

Was wind und feuer, dampf und rauch

In staub und asche legen.

Behüte uns, schone diesen ort

Vor gluth und brand, und sei hinfort

Uns treuer vater gnädig.

 

Dann kommen zwei aus dem Kapitel: “Von dem Vertrauen auf Gott“. Erst Nr 643 vers 1 (39 mal):   Wer nur den lieben Gott läßt walten/ Und hoffet auf ihn allezeit/ Den wird er wunderbar erhalten/ In aller noth und traurigkeit/. Wer nur dem allerhöchsten traut/ Der hat auf keinem sand gebaut.

 

dann Nr 642 vers 1 (43 mal):   Auf Gott und nicht auf meinen rath/ Will ich meine glücke bauen/ Und dem, der mich erschaffen hat/ Mit ganzer seele trauen./ Er der die welt allmächtig hält/ Wird mich in meinen tagen/ Als Gott und vater tragen.

 

Die meisten anderen kommen weniger als 20 mal vor. Aber dabei sind etwa 200 Unikate.


Unvollständige Sprüche
Es kommt eigenartigerweise kaum vor, dass ein Spruch im Kehlbalken weiter unten am Hauptbalken fortgeführt wird. Fast immer fängt am Hauptbalken ein neuer Spruch an. Wenn kein Platz am Kehlbalken war, um die Strophe zu Ende zu führen, dann hörte es einfach mitten drin auf, oder mit einem schlichten „u.s.w.“. Dasselbe gilt auch für die Hauptbalken.
Was aber tatsächlich oft vorkommt ist, dass ein langer durchgehend geschriebener Spruch aus verschiedenen Teilen des Gesangbuchs oder aus anderen Quellen zusammengesetzt ist, oft zwei aber manchmal sogar drei verschiedene Quellen auf einem Balken ohne Trennung. In diesen Fällen haben wir die Stücke separat aufgelistet. Es kommt auch öfters vor, dass die Sprüche einfach weiter in die nächste Strophe gehen, bis kein Platz mehr da ist. Hier haben wir dasselbe gemacht und die Strophen getrennt.

 

In die Datenbank aufgenommen wurden auch die Namen, das Baujahr und eine Beschreibung der Ornamente.

Adrian Greenwood und Burghard Kulow

 

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Die entstandene Datenbank wurde im Juli 2018 öffentlich zugänglich gemacht, zu erreichen unter

www.wendland-archiv.de/inscription

 

Weitere Auswertungen und Recherchen zur Geschichte und Bedeutung, sowie zu Farbe und Technik und zu Baujahr und Namen enthält die Broschüre:
Hausinschriften und Ornamente im Wendland
Heft Nr. 5 der Schriftenreihe des Rundlingsvereins.

 

 

 


 

 

     
Januar 2015
Zwei Mitglieder unseres Vereins, Adrian Greenwood und Helga Haucke, haben sich zur Aufgabe gemacht, möglichst alle Hausinschriften auf Spruchbalken wie die dekorativen Bemalungen der Häuser in den Dörfern Lüchow-Dannenbergs zu erfassen und in einer Datenbank für weitere Forschungen zur Verfügung zu stellen. Dazu werden die Inschriften fotografiert, abgeschrieben und später in die Datenbank eingetragen.
Es gibt etwa 1500 entsprechende Häuser, von denen bisher ein Drittel bereits mit Einträgen versehen ist. Viele Inschriften kommen immer wieder vor, aber durchaus auch mit kleinen Abweichungen oder auch Abkürzungen, weil sie nicht auf den Balken gepasst haben.
Interessant ist, dass fast alle Inschriften aus Kirchen- bzw. Liederbüchern oder der Bibel stammen. Ein großer Teil der Sprüche bezieht sich auf Dorfbrände, die hier im Wendland besonders in den Rundlingen mit ihren sehr eng beieinander stehenden Häusern nicht selten zum Abbrennen des ganzen Dorfes geführt haben. Aber auch allgemeine Lebensweisheiten sind zu finden. Der Preis steht allerdings nur einmal auf dem Spruchbalken: im „Hundert-Daler-Haus“, Sitz des Rundlingsvereins, steht zu lesen: „…kostet 100 Daler“


Und immer wieder gibt es auch Neues zu entdecken, wie an diesem Spruchbalken ein „M“ vor dem Namen „Jochim Peters“, das nach heutigem Kenntnisstand ein Zeichen für „Meister“ ist, also für den Zimmermeister Jochim Peters, der sich in diesem Balken mit seiner Aufrechnung verewigt hat.

 

 

 

 

 

Der arbeitstypische Blick

November 2015
Die Datenbank umfasst jetzt 1.200 Gebäude und bei näherem Studium der Inschriften und Ornamente ist zum Thema Zimmermeister so viel deutlich aufgefallen, dass Adrian Greenwood zu den neuen Erkenntnissen einen Vortrag im Rahmen des IGB-Winterprogramms halten konnte:   Bericht in der EJZ