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Verein zur Förderung des
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IGB Wendland   Veranstaltungen  Hausforschung
 

Untersuchungsprotokoll
Dreiständerhaus von 1716,  Güstritz
Verfasser Knut Hose

 

 

 

 

Eigentümerin: Anne v. Imhoff,
Termin: 5.7.2013,
Teilnehmer: Dirk Wübbenhorst, Knut Hose, Burghard Kulow, Anne und Wolfgang v. Imhoff


Geschichtliche und städte(dorf-)bauliche Einordnung
Das Gebäude liegt an der Zufahrtsstraße zum Rundling in einer typischerweise als Kossaterstelle bezeichneten Lage. Ob es sich wirklich um eine Kossaterstelle handelt, wäre noch anhand des Verkoppelungsrezesses zu prüfen.
Auf der gegenüberliegenden Kossaterstelle befindet sich ein kleines Vierständerhaus aus dem Jahr 1762, das zwar in schlechtem Erhaltungszustand ist, aber zumindest im Giebel noch den Erbauungszustand zeigt.
Die dadurch erhaltene Anmutung der Dorfeingangssituation mit Gebäuden des 18.Jh. ist einmalig.
 

Am Eingang zum Rundling links das Dreiständerhas von 1716 und rechts das Vierständerhaus aus dem Jahr 1762

 

Baubeschreibung
Es handelt sich um ein kleines Dreiständerhaus, in dem verschiedene Bauphasen ablesbar sind. Der Zustand ist gut und entspricht weitgehend dem nach dem letzten größeren Umbau Ende des 19. Jh.
Auf dem Grundstück befinden sich außerdem ein Ankerbalkengebäude und ein eingeschossiges kleines Wirtschaftsgebäude, beide vermutlich aus dem 19. Jh. Damit ist das historische Hofensemble vermutlich vollständig erhalten.

Das Gebäude ist mit seiner Wirtschaftsdiele von zwei Fach, dem Flett von einem Fach mit nur einseitiger Lucht vermutlich das kleinste Hallenhaus im Wendland, vielleicht auch allgemein, und lässt damit relative Armut vermuten.
Die gleichzeitig außergewöhnlich reiche Durchbildung des Torgiebels bei gleichzeitiger Verzierung des Rückgiebels verweist im Gegenteil auf ausreichende Geldmittel. Dass diese aus einer unterdurchschnittlich ausgestatteten Kossaterstelle zu erwirtschaften waren, verblüfft. Denkbar wäre auch eine Neuansiedlung als Altenteiler, die aber auch völlig singulär wäre.

 


Vorderansicht

 


Verzierung des Rückgiebels


Ankerbalkengebäude (rechts)

Inschriften
Der Torgiebel weist auf Kehlbalken, Balken und Torsturz Inschriften auf, zudem trägt auch der Balken des rückwärtigen Anbaus eine Inschrift, interessanterweise fehlt sie auf dem Balken des rückwärtigen „Halbgiebels“. Die Inschriften auf dem Kehlbalken und dem rückwärtigem Balken sowie das Baudatum sind in erhabener Antiqua, passend zum Baudatum 1716, ausgebildet. Giebelbalkeninschrift und Erbauernamen sind dagegen in Fraktur, hier ist eine später Änderung zu vermuten, aufgrund der Beibehaltung des Vatersnamen der Frau wahrscheinlich noch im 18.Jh., somit vielleicht anlässlich des Umbaus 1736. Eine genaue zeitliche Einordnung wäre durch archivarische Forschung in den Kirchenbüchern und wiederum dem Verkoppelungsrezeß möglich, indem eine Abfolge der Hofbesitzer erarbeitet wird.

   

Baugeschichte
Die Analyse vor Ort ergab fünf wesentliche Bauabschnitte:

 

1716
In diesem Jahr wurde das Gebäude gemäß Inschrift errichtet. Auffällig ist die gründliche und aufwendige Durchbildung des Ziergiebels und auch des rückwärtigen, zur Landstraße gelegenen Giebels, wogegen sich in der nur drei Fach langen Diele ein extrem bescheidener Standard manifestiert.
Soweit heute feststellbar, gab es nur eine Lucht von auch nur einem Fach Länge. Das Fachwerk wurde in Eiche ausgeführt, Balken und Sparren dagegen in Nadelholz.
Als Besonderheit war im Erbauungszustand keine Pomös-Erhöhung vorhanden, die Deckenbalkenlage ging bis zur Rückwand des Anbaus durch, dagegen ist ein unregelmäßiger Grundriß mit rückwärtigem Anbau feststellbar, wie er bisher an keinem anderen Hallenhaus im Wendland im Bestand belegt ist. Anders als in anderen Gegenden belegt, handelt es sich hier nicht um eine „Hinterkübbung“, die wie die Seitenkübbungen konstruktiv untergeordnet ist, sondern um eine halbseitige Verlängerung des Hauptgerüsts.
Analog zu anderen bauzeitgleichen Gebäuden ist davon auszugehen, dass sich in dieser Verlängerung eine Küchenstube befand, und der Rauch über die offenen Gefache unter dem Kübbungsdach unter das Hauptdach abgeleitet wurde.

 

 

 

1736
Bereits nach zwanzig Jahren wurde die Lucht geschlossen, wie durch die Jahreszahl 1736 im Lehmputz der Ausfachung belegt ist.
Man kann davon ausgehen, daß zeitgleich die Erweiterung des Gebäudes im Wohnteil erfolgte. In diesem Zusammenhang wurde der neue Rückgiebel der Zeit entsprechend noch aufwendiger als der Torgiebel ausgeführt. Es ist anzunehmen, daß diese Verlängerung keine Kübbung hatte, da die entsprechende Ständerwand außenbündig ausgeführt wurde und Bewitterungsspuren aufweist.
Der Wohnteil war mittig längs geteilt, unklar ist, ob die Küchenstube bis zur Rückwand verlängert wurde, oder ob die jetzt entstandene Hohe Küche die Größe der alten Küche hatte und die Verlängerung bereits die heute dort vorhandene Kammer bildete.
Zur Einrichtung der Hohen Küche wurde mit Pomösversprung in Firstrichtung die hohe Decke hergestellt.
 

Glossar:
Pomös bezeichnet die Erhöhung des Wohnteils, die üblicherweise von der Herdwand über die ganze Gebäudebreite bis zum Rückgiebel reicht. Nach den derzeitigen Erkenntnissen wurde diese konstruktive Änderung in unmittelbarem Zusammenhang mit der hohen Küchenstube entwickelt. Auch nach Einführung des Schornsteins mit Aufgabe der Hohen Küche wurde weiterhin der Wohnteil mit Pomösversprung ausgeführt.

 

Foto: Rückseitige Giebel von innen. In der Ecke links unten ist das Pomös erkennbar. Es reicht in diesem Haus nicht über die ganze Breite des Gebäudes sondern nur über eine Hälfte.

   
Nach 1850
Als dritte größere Baumaßnahme wurde eine Herdwand eingezogen, allerdings um ein halbes Fach in das ursprüngliche Flettfach versetzt. Das Pomös wurde entsprechend verlängert, aber nicht mehr zur Rauchableitung genutzt, die Verlängerung ist rußfrei. Insgesamt wurde eine niedrigere Decke eingezogen und das Pomös dadurch zu einem Lagerraum im Obergeschoß umgestaltet. Um diesen Raum begehbar zu machen, vielleicht aber auch schon in der vorhergehenden Nutzung als Hohe Küche, wurden die Deckenbalken ohne Rücksicht auf statische Erfordernisse durchtrennt.
Man kann davon ausgehen, dass nun die Küche auf die südwestliche Ecke des Wohnteils verlegt und durch Rauchglocke und Schornstein rauchfrei wurde. An Stelle der bisherigen Küchenstube wurden Stube und Kammer eingebaut und die Traufwand zeitgemäß erneuert, erkenntlich am Fachwerk mit eng stehenden Doppelstielen zwischen den Fenstern, wie sie für die Stubenausbildung im ausgehenden 19.Jh. typisch waren.
Die Herdwand wurde zeitgemäß in Kiefernfachwerk ausgeführt, allerdings mit einer bauzeitlichen Tür versehen, was die zeitliche Zuordnung zunächst verwirrt.
   
Anfang/Mitte 20.Jh.
An der Südwestecke wurde in Massivbauweise der Gebäudegrundriss mit einer Kammer zum Rechteck ergänzt.

 

Um 1980
Als bisher letzte verändernde Baumaßnahme wurde unter weitgehender Erhaltung der Raumstruktur die Wirtschaftsdiele und der darüber befindliche Dachboden zu Wohnraum ausgebaut, sowie die bauzeitliche Kübbung zum Bad. In dem Zusammenhang wurde die rechtseitige Stalltür wieder hergestellt und das  große Tor verglast. Damit wurde eine zeitgemäße Nutzung ermöglicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Seither wurde lediglich der Südgiebel erhaltend restauriert.

 

Fazit
Es handelt sich bei dem Gebäude um ein hochwertiges Baudenkmal, da es in seltenem Maße die verschiedenen Aspekte der Denkmalwürdigkeit erfüllt:

 

 

Ensemblewirkung
Sowohl im Zusammenwirken mit den umgebenden Grundstücken, vor allem dem gegenüberliegenden Vierständerhaus, dessen denkmalbedeutsamer Fortbestand allerdings nicht gesichert ist, als auch dem Gebäudebestand auf dem eigenen Grundstück besteht hier eine ortsbildprägende schlüssige Gesamtsituation.

   

Künstlerische Bedeutung
Durch die Kleinheit und die sorgfältig detaillierte reiche Ausbildung der Giebel ist das Gebäude bis heute als künstlerisch bedeutsames Baudenkmal wahrnehmbar. Dieser Eindruck wird durch die rezente Farbgebung positiv gestützt.

 

Historische Bedeutung
Der Ursprungsbau ist durch die weitgehende Erhaltung des insgesamt komplett überbauten Wohnbereichs im Dachgeschoß umfassend rekonstruierbar. Ebenso sind die Umbaustufen gut ablesbar. Während es sich bei letzteren jeweils um eher zeittypische Weiterentwicklungen handelt, weist der bauzeitliche Zustand eine eher ungewöhnliche Ausführung auf. In Kooperation mit archivalischer Forschung wäre hier ein dankbares Objekt zur Darstellung kleinbäuerlichen Lebens im Wendland.
Neben weiter archivarischer Forschung wäre es wünschenswert bei einer Renovierung weiter Spuren im Innenbereich des Wohnteils zu überprüfen, für eine vertiefende Betrachtung könnten außerdem jederzeit aus den Zapfenlöchern an der Unterseite der bauzeitlichen Giebelbalken die Erdgeschoßwände des ursprünglichen Wohnteil rekonstruiert werden.

 

   

Weiterer Bestand
Das Gebäude wurde mit der letzten Baumaßnahme zum reinen Wohnhaus ausgebaut und erfüllt als solches heutige Ansprüche an zeitgemäßes Wohnen. Erforderliche oder gewünschte Anpassungen an heutige Standards wurden dabei vorbildlich in die überkommene Bausubstanz integriert. Eine weitere Anpassung an sich verändernde technische und gestalterische Vorstellungen erscheint ohne Schwierigkeit möglich. Hilfreich ist dabei die Kleinheit und Kompaktheit des Baukörpers.
 

Die Restaurierung des Nebengebäudes, insbesondere die Wiederherstellung des Südgiebels wäre für die Zukunft wünschenswert.
Ein besonderes Desiderat, wenn auch denkmalpflegerisch nicht erforderlich, stellt die sorgfältige Rekonstruktion des Erdgeschosses des Wohngiebels dar. Die Anmutung des Ensembles würde durch diese Maßnahmen noch einmal entscheidend gefördert.

 

 

 

 
   
 
 

 

Überblick